Von Allerheiligen bis Totensonntag: Der November und seine stillen Tage
Allerheiligen und Allerseelen: Katholische Gedenktradition
Mit dem Hochfest Allerheiligen beginnt am 1. November der sogenannte „Totenmonat“. Vor allem in katholischen Gegenden gedenken die Gläubigen an diesem Tag aller Heiligen und Märtyrer – zum Beispiel des heiligen Franz von Assisi oder des heiligen Martin. Im weiteren Sinne gilt das Gedenken aber auch all jenen Menschen, die nach dem christlichen Glauben gelebt haben. Denn in jedem, der sich für mehr Frieden, Freiheit, Menschlichkeit und Nächstenliebe einsetzt, steckt nach Auffassung der Kirche ein Stück Heiligkeit.
Unmittelbar nach Allerheiligen folgt am 2. November Allerseelen, der eigentliche Totengedenktag der katholischen Kirche. An diesem Feiertag beten die Hinterbliebenen, dass die Seelen der Verstorbenen von Gott im Himmel aufgenommen werden. Viele Menschen nehmen diesen Tag – oft auch schon Allerheiligen – zum Anlass, die Gräber ihrer Angehörigen mit Blumen, grünen Zweigen und Lichtern zu schmücken, um dem persönlichen Gedenken einen würdigen Rahmen zu geben. Die Lichter symbolisieren dabei die Seelen der Verstorbenen, während das Grün als Zeichen der Hoffnung gilt. Im Mittelalter wurden sogar Speisen als „Seelenbrot“ für die Verstorbenen auf die Gräber gelegt.
Volkstrauertag: Mahnung zum Frieden
Am Sonntag zwei Wochen vor dem ersten Advent wird in Deutschland der Volkstrauertag begangen. Dieser weltliche Gedenktag entstand in der Weimarer Republik und war ursprünglich den Gefallenen des Ersten Weltkrieges gewidmet. Inzwischen ist er weiter gefasst und erinnert an die Opfer aller Kriege und Konflikte weltweit. In vielen Städten finden feierliche Zeremonien statt, bei denen Kränze niedergelegt werden, um der Toten zu gedenken. Der Volkstrauertag ist mehr als ein Blick zurück – er ist auch eine aktuelle Mahnung zum Frieden und ein Aufruf gegen Gewalt.
Seit 1950 findet am Volkstrauertag auch eine zentrale Feierstunde im Deutschen Bundestag statt, an der der jeweilige Bundespräsident und der Bundeskanzler teilnehmen. Traditionell spricht der Bundespräsident das Totengedenken, ein feierlicher Text, der neben den Toten und Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft heute auch der Menschen gedenkt, die Opfer von Terrorismus, Extremismus, Antisemitismus und Rassismus geworden sind.
Totensonntag oder Ewigkeitssonntag: Ein stiller Abschied
Den Abschluss der Gedenktage im November bildet der Totensonntag, auch Ewigkeitssonntag genannt, der in den evangelischen Kirchen Deutschlands eine Woche vor dem ersten Advent begangen wird. Er wurde 1816 von König Friedrich Wilhelm III. eingeführt und ist ein Tag der Besinnung und des stillen Gedenkens. In vielen Gemeinden werden im Gottesdienst die Namen der Verstorbenen des vergangenen Kirchenjahres verlesen. Oft ist es auch üblich, auf Friedhöfen eigene Gottesdienste zum Totengedenken zu feiern.
Der Totensonntag bietet die Gelegenheit, innezuhalten und an die zu denken, die nicht mehr unter uns sind. Viele Menschen besuchen die Gräber ihrer Angehörigen und schmücken sie mit Blumen oder Kränzen. So hat der Totensonntag für die Protestanten eine ähnliche Bedeutung wie der Allerseelentag für die Katholiken.
Besondere Regeln für besondere Tage
Die Gedenktage im November haben in Deutschland einen besonderen Status als „stille Feiertage“. An Allerheiligen (in katholisch geprägten Bundesländern), am Volkstrauertag und am Totensonntag sind öffentliche Tanzveranstaltungen und laute Vergnügungen gesetzlich verboten. Diese Regelung mag manchem in unserer schnelllebigen Zeit überholt erscheinen, schafft aber bewusst Raum für Besinnung und würdiges Gedenken. Die Gedenktage laden uns ein, dem Alltag für einen Moment zu entfliehen und uns Zeit zu nehmen – Zeit für Erinnerung, Zeit für Dankbarkeit und Zeit für ein stilles Gespräch mit unseren Verstorbenen.
Autor:
Jörg Zimmerling
Bildquelle:
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